Hintergrund

wissenschaftliche Grundlagen und Projektdurchführung



VERANLASSUNG

Ziele der Farm-to-Fork-Strategie, die bis 2030 erreicht werden sollen, sind u.A. eine Verminderung der Nährstoffverluste um mindestens 50% und eine Reduzierung des Düngemitteleinsatzes um 20%. Dies ist nur möglich durch eine Präzisierung der Nährstoffbedarfsermittlung, z.B. durch die Pflanzenanalyse. 

PRINZIP DER PFLANZENANALYSE

Die Analyse von Kulturpflanzen auf ihren Nährstoffgehalt (Pflanzenanalyse) ermöglicht die Einschätzung des Ernährungszustandes eines Bestandes während der Vegetationsperiode. Die Kulturpflanzen werden zu festgelegten Wachstumsstadien beprobt. Analysewerte (für Haupt- und Spurenelemente) werden mit Zielwerten verglichen. Die physiologischen Aufgaben der verschiedenen Nährstoffe in der Pflanze spiegeln sich in der chemischen Zusammensetzung der Pflanzensubstanz wider. Der aktuelle Pflanzenbestand selbst dient somit als Monitor seines Ernährungszustandes. Unter ansonsten optimalen Wachstumsbedingungen zeigt sich bei höchsten Erträgen bzw. besten Qualitäten eine idealtypische Nährstoffzusammensetzung. Negative Abweichungen des Ist- vom Zielwert belegen den Düngebedarf für einen bestimmten Nährstoff. Bereits latente Ernährungsdefizite, die optisch noch nicht sichtbar sind, werden aufgedeckt. Anhand der Analysenergebnisse, die in der Regel 3 Werktage nach Probeneingang vorliegen, kann zielgerichtet über eine nährstoffeffiziente, schnell wirksame Blattdüngung nachgedüngt werden.

GESCHICHTE UND STAND DER PFLANZENANALYSE

Für Stickstoff hat sich die Pflanzenanalyse mittlerweile – mit Einführung manueller Schnelltests, schleppergestützter Schnelltests und der Fernerkundung – zur Routinemethode entwickelt. Aber auch die s.g. "komplexe" Pflanzenanalyse aller anderen Nährstoffe, die in Deutschland insbesondere im Institut für Pflanzenernährung in Jena entwickelt wurde (Neubert, 1988, Krause und Witter, 1988), wird wieder zunehmend angewandt. Einerseits kann dies mit der Einführung der Multielementanalyse begründet werden, andererseits mit der Notwendigkeit, die Nährstoffeffizienz insgesamt zu verbessern und so die Umweltwirkung der Düngung zu minimieren, was nur bei ausgewogener Nährstoffversorgung gelingen kann.

Die Pflanzenanalyse besitzt international als auch national – insbesondere in der DDR-Landwirtschaft – eine lange Tradition. So basieren für deutsche Anbaubedingungen die derzeit genutzten Zielwerte im Wesentlichen auf Bergmann (1983). Diese wurden, basierend auf Feldversuchen, zunächst für Hauptnährstoffe, später für Spurennährstoffe abgeleitet. Ebenso anhand von Feldversuchen wurden für Thüringen Zielwerte für einige Mikronährstoffe in Weizen, Gerste, Raps und Mais unlängst überprüft (Zorn, 2017). International wurden Zielwerte dagegen auch über den on-farm-Ansatz ermittelt, indem Daten der Pflanzenanalysen und der erzielten Erträge bzw. Qualitäten gegenübergestellt bzw. miteinander verrechnet wurden (Fink, 1963; Beaufils, 1973; Walworth and Sumner, 1987; Parent and Dafir, 1992). Hieran knüpften Vorhaben am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der ehemaligen FAL, zunächst zum Schwefelbedarf insbesondere im Raps- und Zuckerrübenanbau, später auch zu weiteren Kulturen, an (Haneklaus et al., 1995; Haneklaus und Schnug, 1998; Klages, 2012; Klages und Schnug, 2014).

FORSCHUNGSDEFIZITE BEI EINZELNEN NÄHRSTOFFEN

Zum Erkennen eines Bor-Düngebedarfes konnten noch kein allgemein gültiger Richtwert für ausreichende Borgehalte in den Pflanzen ermittelt werden (Zorn et al., 2011). Für andere Nährstoffe, wie Schwefel und Molybdän, liegen bisher nicht für alle Ackerbaukulturen Zielwerte vor. International immer mehr in den Fokus der Pflanzenernährung gelangen die nicht essentiellen Stoffe Aluminium, Cobalt, Selen und Silizium. Silizium spielt zum Beispiel bei der Trockenheitstoleranz vieler Kulturpflanzen eine Rolle.

PFLANZENANALYSE IM ÖKOLANDBAU

Für den Ökolandbau ist bekannt, dass sich die Nährstoffkonzentrationen im Erntegut aufgrund einer anderen Düngepraxis von denen in vergleichbaren Produkten des konventionellen Anbaus unterscheiden (Gourley et al., 2012; Paulsen 2004; Worthington, 2004). Daraus kann abgeleitet werden, dass sich auch die Zielwerte für diese Anbauform von denen im konventionellen Anbau unterscheiden. Trotzdem sind bislang keine Ökolandbau-spezifischen Zielwerte für die Pflanzenanalyse abgeleitet worden. Gerade für den Ökolandbau ist jedoch eine verlässliche Interpretation von Analyseergebnissen erforderlich, da die zur Verfügung stehenden Nährstoffressourcen sowohl qualitativ (nur nach den jeweiligen Anbaukriterien zugelassene Düngemittel dürfen angewandt werden) als auch quantitativ (wirtschaftseigene Düngemittel bevorzugt einzusetzen) begrenzt sind und ein an die Betriebsbedingungen angepasstes Nährstoffmanagement von besonderer Bedeutung ist (Deumlich 2016; Kolbe und Meyer, 2021). Die Böden der östlichen Bundesländer befinden sich aufgrund des geringen Aufkommens an Wirtschaftsdünger oftmals im Mangelbereich, für Ökobetriebe kann die Situation als noch gravierender eingeschätzt werden (Kolbe und Meyer, 2021).

ON-FARM-ANSATZ

ANAPLANT greift den on-farm-Ansatz auf: Landwirten wird eine kostenfreie Nährstoffdiagnose im Austausch gegen die Überlassung von Pflanzen- und Bodenproben und Angaben zu den Ernteergebnissen sowie durchgeführten Düngungsmaßnahmen auf den betreffenden Flächen angeboten. Die Probenahme erfolgt nach vorheriger Schulung durch den Landwirt selbst oder durch Projektmitarbeiter. Die Datensammlung wird für wichtige Ackerkulturen Sachsen-Anhalts (Weizen, Gerste, Roggen, Raps, Zuckerrüben, Mais, Kartoffeln, Körnerleguminosen) durchgeführt.

Den Datengrundstock liefern die im Projekt beteiligten bzw. kooperierende landwirtschaftlichen Betriebe. Darüber hinaus sollen öffentlich zugängliche Datenbanken (siehe Datenportal "landwirtschaftsdaten.de") zu Standort-, Klima- und Bodeneigenschaften zur Standortcharakterisierung herangezogen werden. Ein Abgleich mit einzelnen von verschiedenen Stellen durchgeführten Feldversuchen wird angestrebt.

LITERATUR

Bauer, A. (2017): Zuckergehalt in der Pflanze bestimmen - Wie fit ist mein Bestand? BWagrar. https://www.bwagrar.de/aktuelles/Wie-fit-ist-mein-Bestand,QUlEPTU0NjMwODAmTUlEPTE3MzMxOQ.html (abgerufen am 17.10.2020)
Beaufils, E.R. (1973): Diagnosis and Recommendation Integrated System (DRIS): A general scheme for experimentation and calibration based on principles developed from research in plant nutrition. Soil Sci. Bull. of Univ of Natal, 1, 1-132.
Bergmann, W. (1983): Ernährungsstörungen bei Kulturpflanzen. Gustav Fischer-Verlag, Jena.
Bergmann, W. (1988): Ernährungsstörungen bei Kulturpflanzen. Gustav Fischer-Verlag, Jena.
Bergmann, W. (1993): Ernährungsstörungen bei Kulturpflanzen. Gustav Fischer-Verlag, Jena, Stuttgart.
Deumlich,M.; Lux, G., Schmidtke, K. (2016): Nährstoffmanagement im ökologischen Landbau. [Nutritionmanagement for organic farming.] Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, Fakultät Landbau/Umwelt/Chemie, Fachgebiet Ökologischer Landbau, D-Dresden. Bericht zum Teilprojekt im Vorhaben BOELN 2811OE109 ( www.orgprints.org).
Fink, A. (1963): Bedeutung und Anwendung der Blattanalyse in den Tropen. Landw. Forsch., 16 (2), 145-152.
Gourley, C. J. P., Dougherty, W. J., Weaver, D. M., Aarons, S. R., Awty, I. M., Gibson, D. M., Hannah, M. C.,
Haneklaus, S., Fleckenstein, J., Schnug, E. (1995): Comparative studies of plant and soil analysis for the sulphur status of oilseed rape and winter wheat. Journal of Plant Nutrition and Soil Science 158/1, 109-111.
Haneklaus, S., Schnug, E. (1998): Evaluation of critical values for soil and plant analysis of sugar beets by means of boundary lines applied to field survey data. Aspects of Applied Biology 52, 87-94.
Klages, S. (2012): Evaluation of the mineral status of organically grown cotton in Egypt. Dissertation. Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, Fakultät für Lebenswissenschaften ( http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042509).
Klages, S. und Schnug, E. (2014): Methodenvergleich: Ermittlung von Richtwerten für die Pflanzenanalyse zur Beurteilung des Ernährungszustandes von Kulturpflanzen. In: Nährstoffbedarf und Nährstoffversorgung von Pflanze und Tier. VDLUFA-Schriftenreihe 70, Kongressband 2014, 140-148.
Kolbe, H. und Meyer, D. (2021): Schlaggenaue Analyse von 32 Betrieben des ökologischen Landbaus im Freistaat Sachsen: Nährstoff- und Humusmanagement. Berichte über die Landwirtschaft, Band 99, Ausgabe 2. Bundeministerium für Ernährung und Landwirtschaft, ISSN 2196-5099.
Krause und Witter 1988: Anwendung der Komplexen Pflanzenanalyse zur gezielten Kontrolle des Ernährungszustandes der Pflanzen. In: Podlesak, W.: Entwicklungstendenzen in der Pflanzenanalyse. Institut für Pflanzenanalyse der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik. 22-29
Neubert 1988: Entwicklungstendenzen bei der Anwendung der Pflanzenanalyse zur Diagnose des Ernährungszustandes der Pflanzen. In: Podlesak, W.: Entwicklungstendenzen in der Pflanzenanalyse. Institut für Pflanzenanalyse der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik. 7-21.
Parent, L.-E., Dafir, M. (1992): A theoretical concept of compositional nutrient diagnosis. J. Am. Soc. Hortic. Sci. (117), 239-242.
Paulsen, H. M. (2004): Mikronährstoffe und nützliche Elemente im Ökolandbau. Vortrag zum Informationstag zur Mikronährstoffversorgung, 25. November 2004, FAL Braunschweig ( http://boden-fruchtbarkeit.de/bodenfruchtbarkeit-optimieren-fal-naehrstofftage).
Walworth, J.L., Sumner, M.E. (1987): The diagnosis and recommendation integrated system (DRIS): Soil Sci., 6, 149-188.Wolfram Research, Inc. (2010): Mathematica 7. www.mathematica.com.
Worthington, V. (2001): Nutritional quality of organic versus conventional fruits, vegetables, and grains. The Journal of Alternative and Complementary Medicine. Volume 7, Number 2, 161-173.
Zorn, W. (2017): Mikronährstoffdüngung im Ackerbau Thüringens. Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. ( http://www.tll.de/www/daten/pflanzenproduktion/duengung/mirkronaehrstoffe/minaehr_ges.pdf) (abgerufen am 17.10.2020)
Zorn, W., Schröter, H., Wagner, S. (2011): Müssen wir Bor jetzt auch zu Getreide düngen? Thüringer Düngungs- und Pflanzenschutztag 2011, Schriftenreihe Heft 8/2011, 74-82. Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. ( http://www.tll.de/www/daten/publikationen/schriftenreihe/dunt1111.pdf) (abgerufen am 17.10.2020)